Unser Partner: Eine Schule im Wandel – die Ruhrlandschule Essen
Seit einigen Jahren verbindet uns eine positive Freundschaft mit der Ruhrlandschule. Die dortige wertvolle Arbeit unterstützten und unterstützen wir mithilfe von Sponsorenläufen, Kollekten u. a. Aktionen. Der rege Austausch z. B. mit unserer Schülerzeitung verläuft gut und wir freuen uns, dass wir auch vor Ort helfen können. Verschiedene Kollegen haben regelmäßigen Kontakt und organisieren auch, soweit es die Situation zulässt, Treffen. Ansprechpartner sind insgesamt Frau Zilles und Herr Klöters.
Anbei möchten wir Ihnen und Euch etwas näher unsere Partnerschule vorstellen:
Schon seit den sechziger Jahren werden längerfristig erkrankte Schülerinnen und Schüler in Essen schulisch betreut. Im Jahr 2015 feiert die Ruhrlandschule ihr 30-jähriges Jubiläum als eigenständige Bildungsanstalt. In dieser Zeit musste sie sich vielfältigen Herausforderungen stellen, sie entwickelte und veränderte sich. Zeit, einen Blick zurück zu werfen.
Die Geschichte des heutigen Klinikunterrichts in Essen begann 1968: Eine Lehrkraft kümmerte sich unterrichtlich fast ausschließlich um körperlich kranke Kinder in den “Städtischen Krankenanstalten Essen”. Später wurden sog. „Krankenhausklassen“ gebildet und der Körperbehindertenschule in Essen angegliedert. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler stieg zunehmend.
1985: Die Stadt Essen übernahm die Trägerschaft der „Städtischen Schule für Kranke“. Aus den Krankenhausklassen am Uniklinikum Essen wurde so eine selbständige Schule mit zunächst drei kleinen Räumen in einer Baracke auf dem Klinikgelände. Mit „Ruhrlandschule – Schule für Kranke“ erhielt sie 1991 auch einen eigenen Namen.
Die Schülerzahlen wuchsen beständig – mit ihnen auch die Zahl der erforderlichen Lehrkräfte. Neue Räumlichkeiten mussten her: 1996 erhielt die Schule endlich ein modernes Schulgebäude am Rande des Uniklinikums.
Im Laufe der Zeit nahmen die Liegezeiten der somatisch erkrankten Patienten aufgrund medizinischer Neuerungen immer weiter ab. Im Gegensatz dazu stieg die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die aufgrund von psychischen Erkrankungen längerfristig behandelt und damit beschult werden mussten. Es entstanden zusätzliche psychiatrische Einrichtungen, in denen auch Schulräume eingerichtet wurden.
Heute deckt die Ruhrlandschule die schulische Betreuung für junge Patienten in den folgenden Standorten ab:
In der Wickenburgstraße (LVR-Klinikum Essen) befinden sich fünf Stationen der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die behandelten Krankheitsbilder umfassen das ganze Spektrum psychiatrischer Erkrankungen. Hier werden täglich ca. dreißig Patienten im Alter von 5-19 Jahren unterrichtet.
Im Oktober 2004 wurde eine Station für die qualifizierte Entzugsbehandlung sowie die Behandlung begleitender psychischer Störungen eingerichtet. Ein besonderer Schwerpunkt der schulischen Arbeit liegt hier darauf, die etwa 6 bis 10 Jugendlichen, deren Alltag lange Zeit von Schulfehlzeiten geprägt war, zu regelmäßigem Lernen zu motivieren.
1997 wurde der Sonderunterricht aufgenommen. Er richtet sich an Schülerinnen und Schüler, die zwar nicht in stationärer Behandlung sind, aber dennoch aus gesundheitlichen Gründen ihre Heimatschulen zeitweise nicht besuchen können. Voraussetzung für die Beschulung ist eine psychotherapeutische bzw. kinder- und jugendpsychiatrische Begleitung.
An verschiedenen Unterrichtsorten stehen eigene Schulräume zur Verfügung, teilweise findet der Unterricht im Hauptgebäude der Schule statt.
Auch die Universitätskinderklinik liegt in räumlicher Nähe zum Haupthaus. Hier werden zwischen 20 bis 34 somatisch erkrankte Kinder in einem eigenen Schulraum, aber auch direkt am Krankenbett unterrichtet.
Die weiteren Dependancen sind über das ganze Essener Stadtgebiet verteilt. Im Essener Süden, genauer im Stadtteil Werden, bietet die Kinder- und Jugendpsychiatrie ca. zwanzig Behandlungsplätze im stationären als auch im tagesklinischen Rahmen an.
Die Tagesklinik im Stadtteil Altenessen kümmert sich seit 1995 um psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche ab fünf Jahren. Immer häufiger stehen hier Störungen im Vordergrund, die einen Zusammenhang mit schulischen Problemen aufweisen oder sozial-emotionaler Natur sind.
Seit dem Schuljahr 2003/2004 gibt es in Essen das Haus Trialog für bis zu sechs junge Menschen im Alter von 14 bis 21 Jahren, die an einer schizophrenen Erkrankung leiden. Die Ruhrlandschule versucht, diese Schülerinnen und Schüler, deren Schullaufbahn meist aufgrund der schweren Erkrankung unterbrochen wurde, wieder an schulische Lerninhalte heranzuführen und bei der Erlangung eines Schulabschlusses zu unterstützen.
In der Jugendhilfeeinrichtung StepOut nehmen seit Frühjahr 2006 bis zu 12 suchtgefährdete oder suchtkranke Jugendliche im Alter von 14 – 18 Jahren in einem umgebauten Tagungshaus in Essen-Kray an einem langfristigen Entwöhnungstraining teil. Die oft wenig belastbaren Schülerinnen und Schüler müssen häufig erst langsam wieder an schulische Abläufe gewöhnt werden.
Darüber hinaus gehen die Lehrerinnen und Lehrer auch auf weitere Stationen und fahren ggf. zu anderen Krankenhäusern in der Stadt, in denen sich Kinder und Jugendliche über einen längeren Zeitraum einer medizinischen Behandlung unterziehen müssen, beispielsweise einer Operation. Der Unterricht erfolgt hier in der Regel im Krankenzimmer.
Die Schülerschaft und damit die schulische Arbeit sind äußerst heterogen. Mittlerweile handelt es sich nur noch bei 15 Prozent um somatisch Erkrankte. Die Zahl der psychisch kranken Patienten steigt rasant. Etwa ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler zeigen Verhaltens- und emotionale Störungen. Bei den psychischen Erkrankungen bilden neurotische Störungen den Schwerpunkt. Daneben werden u.a. affektive Störungen, Schizophrenie, Ess-, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen diagnostiziert.
Trotz dieser Heterogenität ergeben sich für die Arbeit der Ruhrlandschule grundlegende Ziele, die für alle Schülerinnen und Schüler gelten: Schulisches Lernen soll kranken Kindern und Jugendlichen weiterhin ermöglicht werden, ihre Schülerrolle bleibt erhalten. Sie unterstützt die Schülerinnen und Schüler bei der Bewältigung ihres aktuellen und zukünftigen Lebens. Schule kann in diesem Zusammenhang auch Alltag und Normalität verkörpern. Ein wichtiges Ziel ist die Reintegration in die Heimatschule bzw. die Anbahnung von Schullaufbahnveränderungen. Natürlich hat bei allen Überlegungen der Gesundungsprozess Vorrang.
Um diese Ziele zu verwirklichen, kooperieren die Lehrerinnen und Lehrer mit vielen Partnern: Neben der engen Zusammenarbeit mit Ärzten, Pflegepersonal und Therapeuten spielen der Kontakt zur Heimatschule und die Kooperation mit den Eltern eine wesentliche Rolle.
In allen Dependancen der Ruhrlandschule werden heute jeden Tag durchschnittlich 150 junge Patienten aller Schulformen und Klassenstufen von 29 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet, dies summiert sich auf etwa 1000 Schülerinnen und Schüler im Jahr. Der Unterricht orientiert sich an den Richtlinien und Lehrplänen der Heimatschulen und richtet sich nach dem jeweiligen Gesundheitszustand, der Belastbarkeit und dem Förderbedarf.
Unterricht und schulisches Leben spielen sich jedoch nicht nur im Schulraum oder am Krankenbett ab. Seit den Anfängen der Schule hat sich auch hier viel getan: Seit 1981 feiert die Schule jährlich ein Sommerfest und organisiert einen Martinszug durch das Klinikgelände. Schon im Jahr 1990 veröffentlichte die Dependance Werden die Schülerzeitung „Crazy“, seit mehr als zehn Jahren erscheint mit der „Zwischenzeit(ung)“ die Schülerzeitung der gesamten Ruhrlandschule. Seit 1992 gibt es einen regen Förderverein, der viele zusätzliche Anschaffungen ermöglicht. Die Schülerinnen und Schüler profitieren zudem von besonderen Unterrichtsangeboten: Neben Wassersport-Aktivitäten, wie Schwimmunterricht und Kanufahren auf dem Baldeney-See, vielen großen und kleinen Projekten, wie etwa die Gestaltung des Gartenhäuschens im Stile Keith Harings, bietet die Schule heilpädagogisches Voltigieren an..
Dies sind nur einige Besonderheiten einer Schule, die sich im Laufe der Zeit ständig an Veränderungen anpassen musste. Und schon machen sich neue Entwicklungen bemerkbar: Fest steht, dass sich die Behandlungszeiten seit der Gesundheitsreform zunehmend verringern. Auch gesamtgesellschaftlich zeigen sich Probleme: Elterliche Erziehungsaufgaben werden zunehmend auf die Schulen abgewälzt. Der Leistungsdruck in den Schulen steigt. So könnte auch die Anzahl der zu beschulenden Patienten mit psychischen Erkrankungen weiter steigen. Die Ruhrlandschule sieht sich also mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Diesen wird sich das Kollegium auch in Zukunft mit Kreativität und Engagement stellen.